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Fachtagung: „Thüringer Feuerwehren im Wandel der Zeit – wo geht die Reise hin?“

Rund 100 Feuerwehrfrauen und Männern aus ganz Thüringen diskutieren heute im Rahmen der Fachtagung in Neudietendorf über die Zukunft ihres Ehrenamtes.

Egal ob bei Bränden, Unfällen oder nach schweren Unwettern – die Thüringerinnen und Thüringer können sich darauf verlassen, dass nach einem Hilferuf die Feuerwehren schnell zur Stelle sind und qualifizierte Hilfe leisten. "Noch ist das in ganz Thüringen so", sagt Lars Oschmann, Vorsitzender des Thüringer Feuerwehr-Verbandes (ThFV), blickt aber zugleich kritisch in die Zukunft: „In einigen Jahren könnte dies anders aussehen. In unseren ländlichen Regionen, so befürchten wir, wird die Hilfe dann deutlich länger auf sich warten lassen und in so manchen Fällen zu spät kommen.“ Ein wesentlicher Grund hierfür ist der seit Jahren zu verzeichnende Mitgliederrückgang bei den Freiwilligen Feuerwehren des Freistaates.

Derzeit leisten 38.000 Frauen und Männer ehrenamtlich aktiven Dienst bei fast 1.600 Thüringer Feuerwehren und stellen so ein dichtes Hilfeleistungsnetz sicher. Die acht Berufsfeuerwehren mit 670 Kräften sind ausschließlich in den größeren Städten zu finden; sie können die rückläufigen Mitgliederzahlen der Freiwilligen Feuerwehren nicht kompensieren. Bei größeren und länger andauernden Einsätzen ist selbst die größte Berufsfeuerwehr in der Landeshauptstadt auf die Unterstützung von freiwilligen Feuerwehreinheiten angewiesen.

"Diese Umstände zu bedauern hilft nichts, wir müssen jetzt handeln und die
Weichen dafür stellen, dass unser dichtes und gut funktionierendes
Hilfeleistungssystem erhalten werden kann. Das Ehrenamt ist und bleibt die Basis dafür!", mahnt Oschmann. Wie das konkret gelingen kann und welche Voraussetzungen hierfür notwendig sind, diskutieren heute mehr als 100 Feuerwehrfrauen und -männern aus ganz Thüringen im Rahmen der Fachtagung "Thüringer Feuerwehren im Wandel der Zeit – wo geht die Reise hin?" in Neudietendorf (Landgemeinde Nesse-Apfelstädt/Landkreis Gotha). Dabei geht es beispielsweise um die Fragen: Wie gelingt es, neue Mitglieder zu gewinnen und die jetzigen langfristig zu halten? Wie lässt sich die Attraktivität des Ehrenamtes steigern? Welche Unterstützung brauchen die Ehrenamtlichen? Wie lässt sich die Tätigkeit in der Feuerwehr mit familiären Verpflichtungen und anderen Interessen besser vereinbaren? Oder: Wie begeistert man den Nachwuchs? In sechs Workshops suchen die Feuerwehrleute Antworten auf diese Fragen und tauschen ihre Erfahrungen hierzu aus.

Die Fachtagung wurde seit Monaten intensiv im Rahmen des ThFV-Projektes
"Einmischen, Mitmachen, Verantwortung übernehmen" unter Leitung von
Projektreferentin Anja Rödiger-Erdmann und dank der Unterstützung vieler helfender Hände vorbereitet. Das Projekt gibt es bereits seit drei Jahren, in denen schon viel bewegt wurde: Die Feuerwehrleute lernen mit Konflikten umzugehen, die Beteiligung und Mitwirkung ihrer Mitglieder zu verbessern, sich mit gesellschaftlichen Fragen und Problemen auseinanderzusetzen (z. B. Alltagsrassismus, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit) und werden dazu animiert, sich für eine offene und tolerante Feuerwehr sowie Gemeinschaft einzusetzen.

"Unsere Feuerwehren sind nicht nur ein wichtiger Bestandteil der Gefahrenabwehr, sondern auch der Zivilgesellschaft. Sie sind soziale Orte. Im ländlichen Raum prägen sie zu großen Teilen das gesellschaftliche Leben und tragen dadurch zur Stärkung der örtlichen Gemeinschaften bei“, weiß Anja Rödiger-Erdmann. Durch zahlreiche  Veranstaltungen bei den Feuerwehren vor Ort gewinnen sie und ihre ehrenamtlichen Helfer (Demokratiepartner) aus ganz Thüringen  Interessierte, die sich auch neuen Methoden öffnen. An der Landesfeuerwehrschule schult sie die zukünftigen Führungskräfte der Freiwilligen Feuerwehren, vier Stunden stehen seit zwei Jahren hierfür mit auf dem Lehrplan. „Führen heißt, die Feuerwehrkameradinnen und -kameraden zum Zwecke des Allgemeinwohls zu lenken, dabei aber auch Rücksicht auf deren Bedürfnisse zu nehmen und sie bei Entscheidungen aktiv mit einzubeziehen – und das nicht nur im Einsatz. Denn die anspruchsvollen Aufgaben der Feuerwehren können nur gemeinsam bewältigt werden, die gelebte Kameradschaft bildet den notwendigen Kitt dafür“, ist sich die Referentin sicher.

Die heutige Fachtagung stellt einen Höhepunkt des bisherigen Projektverlaufes dar und soll zur weiteren Verstetigung dienen. Die gute Resonanz der Thüringer Feuerwehrleute – die Plätze für die Tagung sind restlos vergeben – bestärkt den Thüringer Feuerwehr-Verband in der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Projektes. Ermöglicht wird es durch Zuwendungen aus dem Bundesprogramm "Zusammenhalt durch Teilhabe" und des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.

Das Bundesprogramm "Zusammenhalt durch Teilhabe", initiiert vom Bundesministerium des Innern, fördert in ländlichen und strukturschwachen Gegenden eine selbstbewusste, lebendige und demokratische Kultur des Gemeinwesens. Zielgruppe des Programms sind haupt- und ehrenamtlich Engagierte in regional verankerten Vereinen und Verbänden und andere Multiplikatoren, die sich vor Ort für ein gleichwertiges und gewaltfreies Leben einsetzen. Im Zentrum des Thüringer Landesprogramms steht die Bündelung von präventiven, intervenierenden und repressiven Maßnahmen gegen Extremismus und extremistische Einstellungen in Thüringen.