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Geflüchtete Kameraden - Flüchtlinge in der Freiwilligen Feuerwehr – ein Besuch in Heiligenstadt

Die Feuerwehr braucht neue Mitglieder! Das ist jedem klar – aber Flüchtlinge? Wie soll das denn gehen? Hier spalten sich die Geister. „Na, wenn sie dann integriert sind und deutsch können“, ja, dann könnte man sich das überlegen. Aber wie soll Integration und Spracherwerb ohne Kontakt mit Deutschen gelingen?

 

Die Freiwillige Feuerwehr in Heilbad Heiligenstadt hat das „Experiment“ gewagt und zwei junge syrische Männer in ihre Reihen aufgenommen. Mit großen Erfolg für alle Seiten!

Lazkin Battal Ali ist 29 und seit März 2016 in Deutschland. Mit seiner Frau und kleinem Kind wohnt er in Heiligenstadt. Bei unserem Besuch in Heiligenstadt schneidet er gerade bei einer Übung zur technischen Unfallrettung das Dach von einem PKW. Sein Bruder arbeitet in Syrien bei der Berufsfeuerwehr – daher wollte er gleich einsteigen, „weil der Beruf ein menschlicher Beruf ist“, wie er sagt. Zur Feuerwehr ist er durch die Kameradin Martina Griethe gekommen, welche als Sozialbetreuerin für die Stadt arbeitet und so direkten Kontakt zu den neu Angekommenen hat. Das erste Mal in der Feuerwehr sei schwierig gewesen, so Lazkin, Deutsch konnte er da erst wenig. Aber jetzt, nach einem halben Jahr, sei alles schön.

Sein Kamerad Alhomsi Abdulrahman, 20, kam durch eine engagierte Ehrenamtliche zur Feuerwehr. Er wollte etwas Gutes tun – da viel ihr die Feuerwehr gleich ein, denn die braucht immer Leute. Alhomsi
spricht vier Sprachen, deutsch ist jetzt die fünfte Sprache, die er lernt. Für die anderen Syrer ist er eine wichtige Übersetzungshilfe. Im Integrationskurs lernen geflüchtete Menschen recht schnell deutsch. Leider dauert es etwas, bis sie einen Platz im Integrationskurs bekommen, bedauert Martina Griethe. Vor ihren Dienstabenden bekommen die beiden Neuzugänge eine extra Unterrichtsstunde: hier erklärt Martina ihnen die Funktion und Begriffe der Geräte und Fahrzeuge. Später können sie dann ganz normal, wie die deutschen Kameraden, ihre Grundausbildung machen.

Das Kennenlernen der Kameraden und Integration in die Feuerwehr sei kein Problem gewesen, so Martina. „Wir sind hier wie eine große Familie. Die Kameraden vertrauen mir, und somit war es einfach für die Jungs: Die Martina, die macht das schon!“. In der Feuerwehr wurden die Neuen gleich warmherzig aufgenommen, mache Kameraden gingen gleich offen auf sie zu, andere begutachteten erstmal von weitem und redeten hinter dem Rücken. Doch durch die Art der beiden neuen Kameraden und das Miteinander hätte sich das schnell gelegt. „Kritische Stimmen haben wir auch. Aber das schöne ist: Man muss nicht groß Werbung machen in der Feuerwehr für die Jungs, weil sie machen Werbung für sich selber. Die arbeiten mit, die sind da … die nehmen auch `n Schrubber in die Hand, putzen oder malern und dann machen die das wirklich selber“, erzählt sie.

Ihr Tipp für Feuerwehren ist es, sich an die Sozialen Betreuungen vor Ort zu wenden. Diese begleiten die Menschen von Anfang an, und kennen sie mit ihren Fähigkeiten und Charakterzügen. Angst vor den Sprachbarrieren sollte man keine haben, denn die Leute wollten schließlich selber Deutsch lernen. Auch für in Deutschland neu angekommene Menschen sei die Feuerwehr nicht nur wegen der Ausbildung interessant, sondern vor allem, um dabei zu sein: bei Stadtfesten, Feiern mit den Kameraden, um einfach anzukommen. Hierzu ist die Sprache der Schlüssel, und der Antrieb sie zu lernen entsprechend hoch.

Blauäugig ging die Feuerwehr in das Vorhaben nicht hinein: Allen war klar, dass für die Betreuung der neuen Kameraden eine Vielzahl an Personen involviert sein würde. Im Vorhinein wurde überlegt, was personell möglich ist, da die neuen Kameraden besonders viel Unterstützung brauchen. Die Feuerwehr entschied sich, vorerst zwei syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Jetzt nach einem halben Jahr, ziehen sie eine positive Bilanz, so Alexander Raphael Beck, Jugendwart und Zugführer in der Einsatzabteilung. Was sie verbindet, sei das gemeinsame Interesse anderen zu helfen und sich für andere einzusetzen, da sei es grundlegend egal, wo jemand herkommt, so Alexander.

Auch in der Jugendfeuerwehr wurden syrische Flüchtlingskinder aufgenommen. Kinder mit Migrationshintergrund hat die Jugendfeuerwehr Heiligenstadt schon lange. Vor allem die Eltern waren hier skeptisch, viele wollten keine Flüchtlinge in der Jugendfeuerwehr. Die Kinder hatten hier keine Berührungsängste. Sie lernen die neuen Freunde unvoreingenommen kennen und berichten zu Hause von ihren positiven Erfahrungen. Heiligenfeld hat eine sehr engagierte Jugendfeuerwehr, viele erlebnispädagogischen Dienste, wo es um das Miteinander und nicht nur Feuerwehr geht, Fahrradtouren und Freizeiten stehen auf dem Plan. Vom örtlichen großen Jugendclub haben sie sich viele Sachen abgeguckt, die sie in ihre Feuerwehr mitbringen. So steht im Gemeinschaftsraum ein Kicker, nach der Ausbildung in der Jugendfeuerwehr können die Kinder noch bleiben, kickern, spielen und werden betreut. Hieraus entwickeln sich Freundschaften, viele treffen sich auch privat unter der Woche.
Mangel an Nachwuchs hat die Jugendfeuerwehr nicht: Gerne würden sie noch mehr Kinder aufnehmen, doch da fehlt es an Mitteln, für einen weiteren Bus für Ausflüge oder auch an Betreuern.
Auch in der Einsatzabteilung wird das Miteinander groß geschrieben. Nicht nur der Ausbildungsdienst steht im Vordergrund, sondern das gemeinsame gesellschaftliche Leben. Vor dem Ausbildungsdienst frühstückt die sehr junge Einsatzabteilung gemeinsam, auch unter der Woche treffen sie sich und kochen spontan gemeinsam Mittagessen. „Wir verbringen hier sehr viel Zeit auf der Feuerwehr, nicht nur für die Ausbildung und den Einsatzdienst, sondern auch für die Gemeinschaft und ein Miteinander“ so Alexander. Auch die syrischen Kameraden haben zu einem Dienstabend schon für alle ein einheimisches Gericht gekocht.

Alhomsi ist nach einem Jahr in Deutschland hier angekommen. Deutsch spricht er recht gut mittlerweile, auch durch die Hilfe der Kameraden. Für unseren Besuch hat er für die Kamera eine Rede vorbereitet, etwas das er uns gerne mitgeben möchte:
„Ich bin sehr froh, dass ich ein Mitglied der Feuerwehr bin. Hier habe ich viele nette Leute kennengelernt. Sie helfen einem immer, wenn ich etwas brauche oder wenn ich etwas nicht verstehe. Deutschland hat uns viel geholfen und wir müssen etwas zurückgeben. Deshalb bin ich Mitglied bei der Feuerwehr. Hier bekomme ich meine Energie, weil wir immer bereit sind, den anderen zu helfen. Ich möchte keine Last für die Allgemeinheit sein, ich möchte zur Gesellschaft dazugehören. Deutschland, vielen Dank!“